Traditionstag der Melker Pioniere – die Seeschlacht von Lissa am 20. Juli 1866

Den Melker Pionieren ist erlassmäßig der 20. Juli 1866 als Traditionstag zugewiesen. Dabei wird dem grandiosen Sieg der Österreicher gegen die Italiener im Dritten italienischen Unabhängigkeitskrieg gedacht.

Das heurige Gedenken findet coronabedingt anders als bisher statt, es gibt keinen Traditionstag in gewohnter Form, vielmehr erinnern wir an dieser Stelle an das militärgeschichtlich relevante Ereignis vor mehr als 150 Jahren. Dazu bieten wir eine 1965 in „Bundesheer Illustrierte“ erschiene Darstellung der Schlacht eines uns unbekannten Autors.

Genießen sie die folgenden Zeilen:

Noch bevor es über den dalmatinischen Bergen hell wird, verlässt die österreichische Flotte den Hafen von Pola. Der Morgen des 20. Juli 1866 ist gezeichnet durch das, was man schlechthin ein Sauwetter nennt. Es regnet in Strömen, Stürme peitschen die See hoch und die Temperatur ist alles andere als sommerlich.

Auf der Kommandobrücke des Flaggschiffes „Erzherzog Ferdinand Max“ steht der Flottenkommandant  und denkt an den Befehl aus Wien. Eigentlich war es ein „Gummibefehl“ gewesen, der sich beliebig dehnen ließ: „Auf Allerhöchsten Befehl nach eigenem Ermessen handeln;  wegen Demonstration gegen Lissa nicht auslaufen.“ Nun, er hat nach eigenem Ermessen gehandelt. Er ist ausgelaufen.

Der Mann, der den ihm erteilten Befehl so auslegt, ist ganze 39 Jahre alt und bereits Konteradmiral. Er ist ein junger, modern denkender Flottenführer, hart, kühl überlegend, ein Mann, der nie die Ruhe verliert, aber auch in die Zukunft zu denken vermag.

Schon vor 16 Jahren hatte er Pläne ausgearbeitet, wie Österreich Kolonien in Afrika erwerben könnte. Die Pläne waren verworfen worden – und 30 Jahre später holten sich die Engländer, Franzosen und Deutschen diese Kolonien. Dann hatte er den Kauf der Insel Sokotora im Indischen Ozean  beantragt, weil sich die Insel als Flottenstützpunkt auf dem Weg nach Ostasien  vorzüglich eignete. Zehn Jahre danach besetzten die Engländer die Insel, ohne etwas zu bezahlen.

An diesem 20. Juli muss er einfach nach eigenem Ermessen handeln. Anfang Juli hatte er die Operation gegen die Italiener eingeleitet, allerdings erfolglos. Das war nicht seine Schuld. Die italienische Flotte lag im Hafen von Ancona. Die Österreicher wollten die Italiener aus dem Hafen herauslocken und sich dann zum Kampf stellen. Aber die Italiener kamen nicht. Sie lagen zwar im Schutz der eigenen Küstenbatterien dampfklar im Hafen, wagten aber die Ausfahrt über den eigenen Minengürtel nicht und vermieden die Seeschlacht. Erst am 16. Juli, nachdem die österreichische Flotte wieder nach Pola zurückgekehrt war, liefen die Italiener aus. Sie nahmen sofort Kurs auf Lissa (das heutige Vis). Die Insel war für die Österreicher ein wichtiger Vorposten zwischen Spalato und Ragusa. Der italienische Flottenkommandant Cone Persano ließ die Insel unter Beschuss nehmen und versuchte, die Telegraphenverbindung zum Festland zu kappen, was ihm jedoch nicht gelang.

Am 17. Juli telegraphierte das österreichische Flottenkommando nach Lissa: „Ausharren!“ – Aber nun mußte etwas geschehen.

In Wien glaubte man an ein Täuschungsmanöver der Italiener; man vermutete, dass sie in Wirklichkeit Ragusa angreifen wollten und scheute sich, einen klaren Befehl zum Entsatz der Insel zu geben. Und so kam es zu dem Entschluss, „nach eigenem Ermessen“ auszulaufen.

Der Mann auf der Kommandobrücke der Panzerfregatte „Erzherzog Ferdinand Max“ weiß nicht, dass er dafür später in den Militär-Maria-Theresien-Orden aufgenommen werden wird.

Sein Name: Konteradmiral Wilhelm von Tegetthoff.

Die Italiener sind gut gerüstet. Immerhin haben sie die modernste Kriegsflotte im Mittelmeerraum. Conte Persano liegt mit 12 modernen Panzerschiffen, sieben Fregatten, drei Korvetten, zwei Raddampfern, drei Kanonenbooten, vier Avisos (Signalschiffe) und einem Transportfahrzeug mit Landungstruppen vor Lissa.

Im Vergleich zu dieser Armada nimmt sich die österreichische Flotte etwas armselig aus: Nur sieben Panzerschiffe, von denen sogar einige nur mit alten Eisenbahnschienen behelfsmäßig gepanzert sind, ein hölzernes Linienschiff, fünf Fregatten, eine Korvette, drei Avisos, dafür aber neun Kanonenboote. Tegetthoff hatte auf den Einsatz dieser Kanonenboote bestanden, weil er genau wusste, dass man der Übermacht nur mit Schnelligkeit und Wendigkeit beikommen konnte.

Die Italiener verfügen über eine hervorragende Schiffsartillerie, fast durchwegs gezogene Hinterladergeschütze, die schneller und weitreichender sind und deren Granaten über eine größere Brisanz verfügen als die der österreichischen glatten Vorderladergeschütze.

Aber Tegetthoff vertraut seinen Männern, so wie diese Männer ihr vollstes Vertrauen in ihren Kommandanten gesetzt haben. Die Zuverlässigkeit der Mannschaft wird sich beim Kampf gegen die Italiener bewähren. Der Sieg der österreichischen Südarmee bei Custozza am 24. Juni gibt den Österreichern Mut und Auftrieb, wenn es auch im Norden auf dem Kriegsschauplatz in Böhmen nicht gerade rosig aussieht.

Als Tegetthoff noch Fregattenkapitän war, wurde er einmal von einem englischen Schiff auf hoher See nicht gegrüßt. Prompt schrieb Tegetthoff dem englischen Kapitän einen groben Brief: „ Es kommt nicht darauf an, wie das Schiff aussieht, sondern was für eine Mannschaft darauf ist.“

Die Mannschaft, die Tegetthoff auf seinen Schiffen hat, ist gut. Nur mit solchen Männern kann der Admiral kühne Unternehmen wagen.

Tegetthoff trifft vor Lissa auf die italienische Flotte. Er tut das einzig Richtige. Er versucht, so nahe wie möglich an den Gegner heranzukommen, damit die weitreichenden Geschütze der Italiener wirkungslos bleiben.  Und so gibt er den Panzerschiffen den Befehl: „Feind anrennen und zum Sinken bringen!“

In drei dicht aufeinander folgenden Keilen greifen die Österreicher an. Es ist genau 10.45 Uhr, als die Italiener aus geringer Distanz das Feuer eröffnen. Die Österreicher erwidern das Feuer und bringen sofort Unordnung in die italienische Keillinie.

Es gelingt Tegetthoff, die Initiative an sich zu reißen und mit seinem Flaggschiff zum Rammen anzusetzen. Durch einen gezielten Rammstoß der „Erzherzog Ferdinand Max“ versenkt er das traditionelle Flaggschiff der Italiener, die „Re d´Italia“. Diesen persönlichen Triumph wollte sich Tegetthoff nicht entgehen lassen. Die „Ferdinand Max“ geht sofort mit voller Kraft zurück, um sich vom sinkenden Schiff zu lösen und nicht im Strudel mitgerissen zu werden. Innerhalb von zwei Minuten ist das kampfkräftigste Kriegsschiff der Italiener in den Wogen versunken.

Admiral Conte Persano war allerdings nicht auf der „Re d´Italia“ – kurz vor der Schlacht hatte er es verlassen und sich auf die „Affondatore“ begeben, wohl wissend, dass sich das Hauptaugenmerk des Gegners jeweils auf das Flaggschiff konzentriert. Überdies gab es in den italienischen Reihen das Gerücht, auf den österreichischen Schiffen befänden sich Scharfschützen, die Jagd auf Kapitäne auf Kommandobrücken machten.

Nicht alle italienischen Einheiten waren vom Umsteigen des kommandierenden Admirals auf das Panzerschiff „Affondatore“ rechtzeitig unterrichtet worden. So kommt es, dass einige Bewegungen, die von der „Affondatore“ aus befohlen wurden, nicht ausgeführt werden, was die allgemeine Verwirrung noch vergrößerte.

Die Schlacht ist kurz und für die Italiener verlustreich. Das Panzerschiff „Palestro“ wird von einer Granate getroffen und expoldiert. Die Panzerschiffe „Varese“, „San Martino“ und „Castelfidardo“ werden so schwer beschädigt, dass sie ausscheiden müssen. Damit ist die Schlacht beendet. Der Rest der einst so stolzen Armada flieht nach Ancona. Tegetthoff macht gar nicht den Versuch, die Italiener zu verfolgen. Er will nichts riskieren, wenn es nicht notwendig ist. Außerdem sind die italienischen Schiffe schneller.

Die Verluste betragen bei den Italienern 38 Offiziere und 605 Mann. Tegetthoff hat drei Offiziere und 35 Mann verloren.

Drei wesentliche Voraussetzungen sind es gewesen, die den Sieg in der Seeschlacht bei Lissa herbeiführten: Der Kampfgeist der Männer, die bessere Ausbildung und das Vertrauen zu ihrem Kommandanten. „…auf die Mannschaft kommt es an“, hatte Tegetthoff einst gesagt.

Nach der Schlacht wird Wilhelm von Tegetthoff zum Vizeadmiral befördert und erhält das Kommandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens.

Die Schlacht bei Lissa ist eine der größten Waffentaten der österreichischen Kriegsmarine und war nach Trafalgar eine der größten Seeschlachten des 19. Jahrhunderts. Lissa und Custozza waren die Höhepunkte der österreichischen militärischen Taten des blutreichen Jahres 1866. Mit der Niederlage von Königgrätz verblaßte zwar der Glanz österreichischer Siege, die Leistungen der Soldaten bleiben jedoch unvergessen.